Aktueller Fall des Monats

Titel
Aufwachversuch und Kommunikation

Fall-Nr.
279717

Zuständiges Fachgebiet
Intensivmedizin

Altersgruppe des Patienten
Erwachsener

Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus

Was ist passiert?
Patient wurde bei respiratorischer hyperkapnischer Insuffizienz intubiert. Zwei Tage später wurde vermutlich ein Aufwachversuch durch eine/n Arzt/Ärztin unternommen. Zumindest als die Pflegekraft das Zimmer betrat, war der Patient wach, versuchte an den Tubus zu fassen. Die Flussrate der Sedierungsmedikamente wurden reduziert. Weder verblieb eine ärztliche Person am Bett, noch wurde die betreuende Pflegekraft informiert, noch war der Patient in irgendeiner Art schutzfixiert. Eine versehentliche Selbstextubation des Patienten, bei noch nicht vollständig vorhandenen Schutzreflexen, konnte noch durch die Pflegekraft verhindert werden.

Was war das Ergebnis?
Pat. hatte unnötig Stress, da niemand am Bett war, um die Situation zu erklären.

Es hätte zu einer Selbstextubation kommen können, bei noch nicht vollständig vorhandenen Schutzreflexen - somit ggf. Lebensgefahr.

Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?
Unzureichende Kommunikation und Absprache Arzt-Pflege, fehlendes Teamwork.

Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?

  • Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
  • Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
  • Teamfaktoren (Zusammenarbeit, Vertrauen, Kultur, Führung etc.)
  • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)

Wie häufig ist dieses Ereignis bisher ungefähr aufgetreten?
monatlich

Wer berichtet?
Pflege-, Praxispersonal

Kommentar des CIRS-Teams des Krankenhauses

Der Fall zeigt ein Kommunikations- und Teamproblem in der intensivmedizinischen Versorgung. Nicht ganz klar ist, ob ärztlich nur die Sedierung reduziert werden sollte oder eine Extubation geplant war. Die Reduktion der Sedierung erfolgte ohne Absprache mit der betreuenden Pflegekraft. Eine Selbstextubation mit potenziell vitaler Gefährdung wurde nur durch Zufall verhindert.

Handlungsempfehlung des einrichtungsinternen CIRS-TEAMS

Die Änderung von Medikamenten muss in der Intensivmedizin schriftlich dokumentiert werden und bei zeitkritisch relevanten Medikamenten wie z. B. Sedierung auch unbedingt zusätzlich mündlich kommuniziert werden. Ggf. sollte die Weaning-SOP überarbeitet und das Extubationsprozedere geklärt werden. Auch sollte grundsätzlich festgelegt werden, bei welchen Änderungen am Perfusor (ggf. Katecholamine, Sedativa, Analgetika) die verantwortlichen Pflegekräfte bzw. Ärzte mündlich informiert werden müssen.

Kommentar des Anwender-Forums (2025)

Es ist unklar, ob es sich bei der Sedierungsreduktion um eine impulsgetriebene Handlung oder um einen geplanten, strukturierten Aufwachversuch bzw. eine geplante Extubation gehandelt hat.

Unabhängig davon weist der vorliegende Bericht auf mehrere Lücken in der vermeintlichen Aufwachphase des Patienten hin:

  • die fehlende Betreuung am Bett
  • die fehlende Schutzfixierung
  • und vor allem die fehlende Information über die Reduktion der Medikation zur Sedierung

Insgesamt wird deutlich, dass der Prozess des Aufwachens, die Überwachung und die Übergaben kritisch beleuchtet werden müssen. Die versehentliche Selbstextubation konnte durch die Pflegekraft verhindert werden, was eine lobenswerte Wachsamkeit belegt. Das Ereignis zeigt eine Diskrepanz zwischen dem erforderlichen, strukturierten Aufwachprozess, angemessener Überwachung und interprofessioneller Kommunikation einerseits und der hier möglicherweise spontanen, potenziell riskanten Reduktion der sedierenden Medikamente andererseits.

Empfehlung

  • Überwachung und digitale Unterstützung: Einführung bzw. Nutzung von digitalen Alerts/Überwachungsparametern während des Aufwachens
  • Weaning/Entwöhnungsprotokolle: Kritische Durchsicht der Kriterien, Indikationen und schrittweisen Reduktion der Sedierung in der Aufwachphase
  • Strukturierte Übergaben: klare Übergabe zwischen Schichten und Berufsgruppen
  • Dokumentationspflichten: schriftliche Fixierung von Änderungen der Medikation muss zwingend erfolgen; bei zeitkritischen Medikamenten mündliche Weitergabe an relevante Teammitglieder sicherstellen
  • Förderung der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit durch Einführung regelmäßiger interprofessioneller Briefings (z. B. Tagesziel für Patient:innen zu Beginn des Tages; kurzes Feedback am Tagesende)