Aktueller Fall des Monats

Titel
Unübersichtliche Medikationsdokumentation im KIS

Fall-Nummer
261655

Zuständiges Fachgebiet
anderes Fachgebiet: Onkologie/Palliativmedizin

Altersgruppe des Patienten
Erwachsener

Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus

Was ist passiert?
Übernahme des Pat. mit Dyspnoe von anderer Station mit laufendem Hydromorphonperfusor. Nach Umlagerung ins Bett, Verschlechterung des AZ. Perfusor war mit aus dem KIS-System gedruckten Medikationsaufkleber beschriftet. Daraus geht die Befüllung nicht eindeutig heraus. Zu lesen war u. a. korrekte Hydromorphondosis in 100 ml NaCl. Perfusorspritze fasst aber nur 50 ml. Im KIS ist in der Medikationsanordnung die Befüllung sehr unübersichtlich hinterlegt. Bolusgabe ist zudem in ml statt in mg angeordnet, tatsächliche Laufrate stimmt nicht mit der angeordneten überein. Bolusgaben sind im KIS uneindeutig auszulesen, erst mit Überfahren mit der Maus erscheint bei den Bolushäkchen ein kleines Fenster mit der aktuellen Laufrate. Will man im System den Bolus von z. B. 4 ml eingeben, errechnet die Software eine Gabe von 200 ml und gibt eine Fehlermeldung, weil dies die Anordnung überschreite.
Es war somit anfangs unklar, wieviel Dosis der Pat. bereits bekommen hatte, man konnte nur die Häkchen zählen. Ursächlich ist vermutlich die ungenaue/uneinheitliche Anordnung der Dosierung und der Bolusgaben. Im System ist eine Laufratenänderung nicht ersichtlich. Für die Klärung verging unnötig Zeit.

Was war das Ergebnis?
Verzögerung der Medikationsgabe zur Symptomkontrolle wegen uneindeutiger elektr. Dokumentation.
Kein Schaden beim Patienten eingetreten.

Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?
Unübersichtliche Software, Laufratenänderungen werden nicht angezeigt, statt Bolus und Laufrate im mg sind diese unterschiedlich in ml angeordnet, ÄrztInnen ordnen Befüllungen ggf. ohne Kenntnis der Volumina der verwendeten Lösungen an. Die ausgedruckten Klebchen zur Beschriftung sind zudem uneindeutig und unübersichtlich, mit Schriftgröße 2 außerdem kaum lesbar.

Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?

  • Organisation (zu wenig Personal, Standards, Arbeitsbelastung, Abläufe etc.)
  • Technische Geräte (Funktionsfähigkeit, Bedienbarkeit etc.)
  • Medikation (Medikamente beteiligt?)

Wie häufig ist dieses Ereignis bisher ungefähr aufgetreten?
wöchentlich

Wer berichtet?
Pflege-, Praxispersonal

Kommentare

Kommentar des Anwender-Forums (2024):
Das Anwenderforum identifiziert drei Themen, die in dem berichteten Fall eine Rolle spielen: die Medikation, die Dosierung und die Informationsweiterleitung. Dabei werden folgende beitragende Faktoren benannt:

  • Möglicherweise sind die Mitarbeitenden nicht ausreichend im Umgang mit dem Krankenhausinformationssystem (KIS) bzw. dem Standard-Perfusor geschult. So gibt es im KIS die Möglichkeit, mittels Mouseover zusätzliche Informationen zur Dosierung zu erhalten.
  • Die Angaben zur Dosierung in den verschiedenen Systemen stimmen nicht überein.
  • Es fehlt eine Übergabe sowohl zum Perfusor als auch den bereits erfolgten Bolusgaben.
  • Die Schriftgröße der Etiketten ist zu klein bemessen.
  • Es fehlt eine präzise Beschriftung der Perfusorspritze, aus der der Inhalt ohne Umrechnung ersichtlich sein muss.

Wichtige Empfehlungen aus diesem Ereignis

  • Perspektivisch ist der flächendeckende Einsatz von smarten Perfusoren anzustreben, die in der Lage sind, Laufraten automatisch zu ermitteln und ggf. sogar an das KIS zu übertragen. Das reduziert Fehlerquellen.
  • Hausintern sollten einheitliche Standard-Perfusoren verwendet werden.
  • Hinsichtlich der Dosierung ist es notwendig, die Angaben in den verschiedenen Systemen zu vereinheitlichen. Dies betrifft die Angaben im KIS bzw. auf dem Aufkleber. Sinnvoll ist die Standardisierung der Anordnung und Beschriftung.
  • Aufkleber sind so zu gestalten, dass die Schriftgröße gut lesbar ist. Der Inhalt von Spritzen muss immer eindeutig und ohne die Notwendigkeit, Umrechnungen durchführen zu müssen, erkennbar sein.
  • Auch bei Umsetzung der o. g. Maßnahmen bleiben Übergaben unerlässlich. Dabei ist sicherzustellen, dass wesentliche Informationen u. a. zu Patient:innen und bereits erfolgter und geplanter Medikation übermittelt werden.
  • Bei Bedarf sind Schulungen zum Standard-Perfusoren bzw. dem KIS anzubieten.