Aktueller Fall des Monats
Titel
Doppelmedikation verabreicht
Fall-Nr.
274569
Zuständiges Fachgebiet
Innere Medizin
Altersgruppe des Patienten
Senior/in (> 70 Jahre)
Wo ist das Ereignis passiert?
Krankenhaus
Was ist passiert?
Eine multimorbide Patientin kam von einem Eingriff in der Funktionsabteilung auf eine Station zurück. Sie hatte bei Messung des Blutdrucks und Pulses leicht bradykarde Werte und brauchte Sauerstoff, weil die Sauerstoffsättigung nicht optimal war. Die Pflegefachkraft hat die Patientin die Tage vorher nicht betreut.
Die Medikamente für den ganzen Tag sind vom Nachtdienst gestellt worden und befanden sich im Zimmer in einem Tablettendispenser. Die Pflegefachkraft ist davon ausgegangen, dass die Tabletten noch eingenommen werden müssen, und hat ihr deshalb die Tabletten für morgens und abends nachgegeben. Die Medikamente sind nicht nochmal auf Blutdruck und Betablockermedikation überprüft worden. Der Stationsarzt hatte die Akten zur Visitenbesprechung bei sich.
Nach der Einsicht der Krankenakte stellte die Pflegekraft fest, dass der Patientin ihre Blutdrucksenker und Betablocker gegeben wurden, obwohl sie einen niedrigen Puls hatte. Der Stationsarzt hatte die Pflegekraft nicht darauf hingewiesen, die Medikamente nicht zu geben, obwohl er über Ihre Vitalwerte informiert wurde.
Was war das Ergebnis?
Der Kreislauf der Patientin wurde regelmäßig überwacht.
Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis?
In der Hektik des Stationsalltags und unter Zeitdruck wurde nicht mehr genau hingeschaut, welche Medikamente nachgegeben wurden. Unerfahrene Pflegekraft und keine ausreichende Kommunikation zwischen Arzt und Pflegekraft. Kein Hilfspersonal bei voll ausgelasteter Station.
Vorbereitete Medikamente sollten im Stationszimmer gelagert werden und nur mit Hilfe der Patientenakte gegeben werden.
Welche Faktoren trugen zu dem Ereignis bei?
- Kommunikation (im Team, mit Patienten, mit anderen Ärzten etc.)
- Persönliche Faktoren des Mitarbeiters (Müdigkeit, Gesundheit, Motivation etc.)
- Patientenfaktoren (Sprache, Einschränkungen, med. Zustand etc.)
- Medikation (Medikamente beteiligt?)
Wie häufig ist dieses Ereignis bisher ungefähr aufgetreten?
erstmalig
Wer berichtet?
Pflege-, Praxispersonal
Kommentar des Anwender-Forums
Die Teilnehmenden des Anwenderforums diskutieren eine Reihe von fehlerbegünstigenden Faktoren, die in diesem Bericht nahegelegt werden:
Möglicherweise war die multimorbide Patientin in ihrer Kommunikation eingeschränkt und vermutlich nicht in der Lage, die ihr verschriebene Medikation zu überblicken. Die Pflegefachkraft hat die Patientin in den vorangegangenen Tagen nicht betreut und damit unter Umständen nicht den erforderlichen Überblick, was zu einer Fehleinschätzung der Situation führte. Zudem war die Patientenakte nicht sofort verfügbar, da sie vom Stationsarzt zur Visitenbesprechung mitgenommen wurde. Eine elektronische Patientenakte lag offenbar nicht vor. Der Bericht spricht von einer hektischen Situation bei voll ausgelasteter Station. Auch diese Situation könnte zur Fehlerentstehung beigetragen haben. Weiterhin scheinen auch die internen Kommunikationswege verbesserungswürdig zu sein, denn der Stationsarzt hat die Pflegefachkraft nicht darüber informiert, dass Medikamente angesichts der Bradykardie nicht gegeben werden sollten.
Die Teilnehmenden des Anwenderforums stellen fest, dass bei Ausfall einer (Morgen-) Medikation, beispielsweise durch eine Intervention oder Untersuchung, diese nicht einfach unkritisch nachgegeben werden darf, da gerade in solchen Fällen Anlässe vorliegen können, die es erforderlich machen, die vorab gestellte Medikation anzupassen.
In jedem Fall muss vor der Medikamentengabe ein Abgleich mit der Patientenakte vorgenommen werden. Dabei wäre im vorliegenden Fall eine elektronische Patientenakte von Vorteil gewesen, da sie trotz Visitenbesprechung verfügbar ist. Bei Auffälligkeiten oder Zweifeln muss der zuständige Arzt bzw. die zuständige Ärztin kontaktiert werden.